Trendflut und Konsumdruck – wie die Mode-Maschinerie immer schneller dreht
16. April 2025, Gioia Pillittu

Key Insights

 

– In der digitalen Welt jagt ein Modetrend den nächsten – und viele junge Menschen fühlen sich davon überfordert.

 

– Die Schnelllebigkeit von TikTok, Instagram und Co. verändert nicht nur das Konsumverhalten, sondern auch den Alltag junger Menschen.

 

– Wer nicht mitmacht, steht schnell am Rand – doch das Mitmachen hat seinen Preis.

 

– Einige suchen Auswege aus dem Trend-Karussell und entdecken neue Wege des Selbstausdrucks.

 

Trends im Überfluss

 

Junge Menschen waren schon immer anfällig für Trends. Doch in der Gegenwart scheint die Zahl der Moden zu explodieren. Was gestern angesagt war, ist heute schon alt. Wer täglich durch Social Media scrollt, steht unter Dauerbeschuss: Outfits, Accessoires, Haltungen, ganze Lebensstile werden im Minutentakt gefeiert – und wieder verworfen.

 

Ein neues «It»-Produkt schafft es kaum durch ein Quartal. Kleidungsstile wie «Coastal Grandmother», «Indie Sleaze» oder «Mob Wife» fordern regelmässig neue Käufe. Die Gemeinsamkeit: ständige Konsumaufforderung. Wer mithalten will, verliert den Überblick – und oft das Budget.

 

Junge Menschen sind müde

 

Viele Jugendliche verstehen sehr genau, wie diese Maschinerie funktioniert. Sie erkennen, dass Unsicherheiten gezielt angesprochen werden, um Geld zu verdienen. Doch dieses Wissen schützt nicht automatisch. Wer in sozialen Netzwerken unterwegs ist, bleibt dem Sog ausgesetzt.

 

Ein Beispiel laut der New York Times: Die 16-jährige Neena fühlt sich von Produktempfehlungen überrollt. Cheetah-Muster war vor wenigen Wochen noch Trend. Heute wird es schon belächelt. Ihre Altersgenossin Lina beschreibt das Verhalten ihrer Mitschüler*innen als verschwenderisch. Kaum ist ein Trinkbecher beliebt, wird der nächste schon gehypt.

 

Der 19-jährige James fasst es treffend zusammen: Es gebe so viele Mikrotrends, dass niemand mehr wirklich folgen könne. Die Reizüberflutung lässt viele ratlos zurück.

 

Die Schattenseite der Trendkultur

 

Trends galten früher als Spiel mit der eigenen Identität. Heute belasten sie. Wer nicht mitzieht, fühlt sich ausgeschlossen. Wer mitmacht, läuft dem nächsten Trend nur noch schneller hinterher. Der Druck wächst. Gleichzeitig bleibt das Versprechen von Zugehörigkeit leer.

 

Die 18-jährige Francesca erinnert sich an die Zeit der «VSCO-Girl»-Ästhetik. Sie kaufte sich passende Accessoires – und fühlte sich dabei wie verkleidet. Heute investiert sie lieber in Kleidung, die länger hält. Sie hat genug vom ewigen Hinterherjagen (New York Times, 2025).

 

Viele Gleichaltrige empfinden das ähnlich. Einige steigen aus. Andere versuchen, wenigstens das Tempo zu drosseln. Doch selbst die Gegenbewegung wird zur Mode: «Underconsumption Core» – also demonstrativer Konsumverzicht – entwickelt sich selbst zum Trend. Wer wenig kauft, gehört plötzlich auch wieder dazu.

 

Social Media: Vom Spielplatz zur Shopping-Maschine

 

Digitale Plattformen wie TikTok beschleunigen die Entwicklung. Wer im Trend bleiben will, muss Neues liefern. Der Algorithmus bevorzugt Überraschung und Originalität – und sorgt dafür, dass das Gestern sofort alt wirkt. Die App macht Kaufen zum Reflex. TikTok Shop verkürzt den Weg vom Wunsch zum Paket auf ein paar Klicks.

 

Soziale Medien versprachen einst Inspiration. Heute fühlen sich viele wie in einem digitalen Einkaufszentrum. Jedes Bild, jeder Clip lockt mit Produkten. Die Folge: Reizüberflutung, Frust und Überdruss.

 

Der Preis des Mitmachens

 

Hinter der Fassade aus Glanz steckt ein ökologisches Problem. Die Zahl getragener Kleidungsstücke pro Person ist in den letzten 15 Jahren um mehr als ein Drittel gesunken. Vieles landet nach wenigen Einsätzen im Abfall. Der Trend verlangt Neues – ständig.

 

Doch Mode ist nicht das einzige Feld. Auch Games oder Lifestyle-Produkte folgen derselben Logik. Wer nicht sofort dabei ist, fühlt sich abgehängt. Das erzeugt Stress. Die Angst, etwas zu verpassen, wächst.

 

Gleichzeitig bleibt vieles reine Oberfläche. Begriffe wie «Mermaidcore» oder «Barefoot-Boy-Summer» existieren fast nur in den Feeds. Trotzdem erzeugen sie echten Druck. Jugendliche sprechen offen darüber – manche mit Humor, andere mit Sorge.

 

Ein zaghafter Wandel?

 

Einige Jugendliche versuchen, sich zu entziehen. Sie löschen TikTok. Sie kaufen weniger. Sie tauschen Kleidung oder verzichten ganz. Doch selbst diese Strategien werden mit Etiketten versehen und auf Social Media inszeniert. Was als Befreiung begann, endet oft in neuer Selbstinszenierung.

 

Der 21-jährige Abner bringt es auf den Punkt: «Selbst Anti-Trends werden zu Trends.» (New York Times, 2025)

 

Ein genereller Richtungswechsel ist nicht in Sicht. Die ältesten Angehörigen der Generation Z werden langsam erwachsen. Doch die nächste Generation steht schon bereit. Gen Alpha wächst mit noch mehr Bildschirmzeit auf – und bringt womöglich noch mehr Tempo in die Trendwelt.

 

Fazit

 

Der Trendzirkus dreht sich schneller denn je. Viele junge Menschen hinterfragen das – und suchen Wege, sich zu entziehen. Doch wer sich wirklich befreien will, braucht mehr als ein neues Label. Echtes Umdenken beginnt nicht auf TikTok, sondern im eigenen Alltag.

 

 

 

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