Keine Lust auf Kater: Wie die Gen Z das Nachtleben verändert
14. Mai 2025, Gioia Pillittu

Key Insights

 

– Die junge Generation trinkt weniger, geht seltener aus und feiert bewusster.

– Traditionsclubs wie das Mascotte schliessen, Publikum und Umsatz brechen weg.

– Statt Exzess dominieren heute Achtsamkeit, alternative Formate und der Wunsch nach echten Erlebnissen.

– Das Nachtleben steht an einem Wendepunkt: Zwischen Strukturwandel und kulturellem Neudenken.

Im Juni 2025 ist Schluss: Der Zürcher Club Mascotte schliesst nach 109 Jahren. Die Gründe sind wirtschaftlich, aber auch kulturell. Der Umsatz an der Bar ist laut Mitbetreiber Alfonso Siegrist «um bis zu 30 Prozent eingebrochen». Die Jungen, sagt er, «wollen nicht mehr durchfeiern». (Tages-Anzeiger)

Das Mascotte ist kein Einzelfall. Auch Clubs wie der Sender, der Hiltl Club oder die Mausefalle haben dichtgemacht. Die Namen stehen für mehr als nur Musik – sie waren Orte der Begegnung, Kultur, Erinnerung. Jetzt fehlen ihnen die Gäste. Und damit die Existenzgrundlage.

Gesundheit schlägt Hangover

Der Wandel hat mit Alkohol zu tun – oder besser: mit dem Verzicht darauf. 2023 wurde in der Schweiz so wenig Bier getrunken wie noch nie. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt laut «20 Minuten» unter 50 Litern.

Laut BFS-Gesundheitsbefragung 2022 trinken über 60 % der 15- bis 24-jährigen Frauen selten oder gar nicht. Bei den jungen Männern sind es mehr als 50 %. Der Rausch verliert an Reiz. Gesundheit, Klarheit und mentale Balance gewinnen an Bedeutung.

Der klassische Club, der seine Umsätze über Shots und Longdrinks generiert, passt nicht mehr zu diesem Lebensgefühl.

Pop-ups, Raves, Brunch – die Alternativen boomen

Statt klassischem Clubabend setzen viele Junge auf unkonventionelle Formate: Tagespartys, Outdoor-Raves, Kitchen-Partys. Der Club mit fixer Location wirkt dagegen starr und oft zu kommerziell. Wie Alexander Bücheli von der Bar- und Clubkommission Zürich erklärt, bevorzugen viele das Einmalige, das Unerwartete, Pop-ups bieten genau das.

Gleichzeitig steigen Mieten und Betriebskosten in Städten wie Zürich rasant. Was früher Underground war, steht heute im Gentrifizierungsdruck. Der Club Zukunft, einst Herzstück der Technoszene, musste im März 2024 einem Coop Pronto weichen – ein symbolischer Verlust. Die Stadt verliert Raum für Subkultur und experimentelle Formate.

Wie Gen Z feiert und was sie erwartet

Wer heute feiern geht, sucht weniger Eskapismus als Verbindung. Die junge Generation erwartet Räume, in denen man sich sicher fühlt – ohne aufdringliche Stimmung, ohne übergriffige Gäste. Awareness-Konzepte, Diversität, klar kuratierte Musikprogramme und gute Vibes sind wichtiger als Rabattaktionen an der Bar.

Viele Clubs, die diese Zeichen der Zeit ignorieren, verlieren den Anschluss. Philipp Meier, Kulturjournalist und Szene-Kenner, bringt es gegenüber dem Tages-Anzeiger auf den Punkt: «Es ist faszinierend, wie sich junge Leute dem Kommerziellen entziehen wollen. Das ist hart für die Clubs, aber auch ein Statement.»

Fazit

Was bleibt, ist die Frage: Wie gelingt es, das Nachtleben neu zu denken? Nicht als Ort des Rausches, sondern als Raum für Begegnung, Vielfalt, Kultur. Wer darin nur eine Bar mit DJ sieht, hat schon verloren.ㅤ

Wer aber den Club als Möglichkeitsraum versteht: Offen für neue Formate, für alternative Sounds, für Gemeinschaft statt Konsum, hat vielleicht eine Zukunft. Auch ohne Alkohol.

 

 

 

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