Lieber Meme-Coins als Hauskauf
8. Mai 2025, Gioia Pillittu

Key Insights

 

– Junge Erwachsene in den USA setzen auf Meme-Coins, weil ihnen traditionelle Wege zu Wohlstand versperrt scheinen.

– Hinter den vermeintlich absurden Krypto-Wetten stecken echte wirtschaftliche Ängste und Hoffnungen.

– Politische Unterstützung und Internet-Trends befeuern den Hype rund um digitale Spasswährungen.

– Wer investiert, balanciert zwischen Rebellion, Risiko und dem Traum vom grossen Gewinn.

Yuvia Mendoza bot kürzlich einer Servicemitarbeiterin in einem Hooters-Restaurant 1’000 Dollar in Kryptowährung für deren T-Shirt an. Sie wollte nicht nur das Shirt – sie wollte Aufmerksamkeit. Mendoza wirbt für eine Krypto-Währung im Hooters-Stil. Ihr Ziel: Das angeschlagene Restaurant retten – und selbst reich werden.

Mendoza ist 25 Jahre alt und lebt in der Bay Area, dem kalifornischen Zentrum der Tech-Industrie. Obwohl sie sechsstellig verdient, fühlt sie sich finanziell nicht sicher. Ein eigenes Haus? Für sie und viele Gleichaltrige in den USA kaum erreichbar. Darum geht sie bewusst Risiken ein.

Wenn Ernsthaftigkeit nicht mehr weiterführt

Mendoza gehört zu einer wachsenden Gruppe junger Amerikaner:innen, die ihr Glück mit sogenannten Meme-Coins versuchen. Diese digitalen Währungen entstehen oft aus Internetwitzen. Sie sind volatil, voller Betrugsfallen – und doch für viele ein Hoffnungsschimmer.

Der Finanzunternehmer Joe McCann spricht von „finanziellem Nihilismus“. Junge Menschen, die hohe Schulden haben und oft noch bei ihren Eltern wohnen, trauen klassischen Anlageformen nicht mehr. Statt langfristig in Pensionskassen einzuzahlen, setzen sie lieber ein paar Hundert Dollar auf eine digitale Wette.

Der neue amerikanische Traum

Für manche verändert sich der Traum vom Wohlstand radikal. Die 27-jährige Veronica Sutton brach ihr Studium ab – zu teuer, zu wenig Gegenwert. Stattdessen investiert sie nun in Bitcoin. Ihren Einstieg verdankt sie einem Geburtstagsgeschenk ihres Partners. Auch er glaubt nicht mehr an Banken oder herkömmliche Berufe. Mit Krypto habe er mehr verdient als mit seiner HVAC-Firma.

Beide hoffen, mit ihren digitalen Gewinnen ein Haus zu kaufen. Für sie ist klar: Kryptowährungen bieten mehr Chancen als traditionelle Wege – besonders in Zeiten steigender Preise und stagnierender Löhne.

Politik und Prominenz als Turbo

Ex-Präsident Donald Trump unterstützt offen Meme-Coins. Zwei davon – $TRUMP und $MELANIA – entstanden im Umfeld seiner Organisation. Er bietet sogar Dinner für Investoren an. Kritiker sprechen von Interessenskonflikten. Doch für viele junge Krypto-Fans ist Trump ein Hoffnungsträger, weil er den Markt dereguliert hat.

Auch Elon Musk heizt den Hype an. Seine „DOGE Service“-Initiative ist zwar offiziell für Effizienz in der Verwaltung zuständig, spielt aber offensichtlich auf Dogecoin an – den ersten grossen Meme-Coin.

Zwischen Rebellion und Realität

Meme-Coins sind nicht nur Finanzprodukte. Sie sind Ausdruck eines Generationsgefühls. Der Finanzexperte David Krause erkennt darin eine Form von Rebellion. Junge Menschen wollen nicht so leben wie ihre Eltern. Sie suchen nach neuen Wegen – auch wenn sie riskant sind.

Laut einer aktuellen US-Studie nutzen 42 Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren Kryptowährungen. Bei über 50-Jährigen liegt der Anteil bei nur 11 bzw. 5 Prozent.

Krypto statt Karriere


Der 31-jährige Jeff Matthews verbringt bis zu 17 Stunden täglich am Bildschirm. Sein Fokus: Meme-Coins. Weil er sich selbst für zu alt hält, um alle TikTok-Trends zu kennen, zahlt er seiner Schwester Geld dafür, dass sie ihm Hinweise gibt. Einmal machte er aus 250 Dollar in 90 Minuten 75’000. Ein anderes Mal verlor er fast alles, während er kurz einschlief.

Neue Produkte, neue Hoffnungen

Einige US-Start-ups versuchen, das Investieren in Meme-Coins sicherer zu machen. Thomas Mattimore von ABC Labs bietet ein Produkt an, das in mehrere Meme-Coins gleichzeitig investiert – eine Art Fonds für Witzwährungen.

Auch Ethereum-Mitgründer Vitalik Buterin sieht Potenzial. Er selbst spendete mit Dogecoin-Gewinnen für Impfprogramme, medizinische Forschung und humanitäre Hilfe. Für ihn können Meme-Coins Gemeinschaften stärken – wenn man sie sinnvoll einsetzt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Mendozas Hooters-Coin fiel drastisch im Wert – von 1,7 Millionen Dollar Marktkapitalisierung auf unter 40’000. Sie setzt nun auf HOUSECOIN – ein Token, der irgendwann den Kauf eines Hauses ermöglichen soll. Derzeit kostet eine Einheit 8 Cent.

Ihr Motto bleibt: „In deinem Computer liegt eine Million – du musst nur den richtigen Knopf finden.“

Fazit

Wer Meme-Coins belächelt, unterschätzt, was sie für eine Generation bedeuten, die sich vom klassischen Aufstieg abgehängt fühlt. Zwischen Hoffnung, Trotz und digitalem Spieltrieb suchen junge Menschen in den USA nach einem Schlupfloch in einem System, das ihnen wenig bietet – und nehmen dafür hohe Risiken in Kauf. Was wie ein Witz aussieht, erzählt in Wahrheit eine Geschichte von tiefem Ernst.

 

 

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